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INTERAKTIONEN UND INSZENIERUNGEN 

 

Bis 1806 war Augsburg eine 'Freie Reichsstadt'. Anders als dieser Titel vermuten lässt, standen viele Bereiche in der Stadt nur bestimmten Gruppen offen. Das Ständesystem wies jeder Person einen festen Platz in der Gemeinschaft zu. Die Marktplätze waren jedoch vergleichsweise frei zugänglich. Sie zogen Personen an, die lautstark Waren und Dienstleitungen feilboten. Signale wie der Uhrschlag gliederten diese Geräuschkulisse.

Im öffentlichen Raum galten neben den Marktordnungen zahlreiche weitere Regelungen, etwa die reichsweite Polizeiordnung Karls V. (1530) sowie die städtischen Kleider- (ab 1568) und Hochzeitsordnungen (ab 1532). Laut Polizeiordnung mussten Personen jüdischen Glaubens einen gelben Ring an Rock oder Kappe tragen; sie durften zwischen 1438 und 1806 wegen angeblichen „Ungehorsams“ nicht mehr in Augsburg wohnen und kamen nur untertags in die Stadt. Wer bettelte und kein Zeichen des städtischen Almosenamtes trug, wurde seit 1541 von den 'Gassenknechten' aus der Stadt gejagt. 

Der öffentliche Raum wurde von den 'Stadtgardisten' überwacht, ein Wachwechsel fand am Rathaus statt, auch nach der Reichsstadtzeit bis 1907. Nicht ohne Grund waren die Fenster vieler öffentlicher Bauten im Erdgeschoss zudem vergittert: Die Obrigkeit fürchtete sich vor Unruhen, die gerade im von großer sozialer Ungleichheit geprägten Augsburg immer wieder vorkamen, etwa bei der 'Zunfterhebung' 1368, während der Reformation, bei den 'Weberunruhen' 1784 und 1794 oder bei der 'Arbeiter- und Soldatenrevolution' 1918. 

Auch heute kommt es auf den Plätzen immer wieder zu Konflikten und Kriminalität, die durch sozial- und ordnungspolitische Maßnahmen wie auch durch Überwachung mittels Kameras entschärft werden sollen. 

In ganz anderer Hinsicht wurden bei Prozessionen, Reichstagen, Paraden, Umzügen oder Festen vor allem der Weinmarkt und der Eiermarkt regelrecht zu 'Schauplätzen' und veränderten ihre Geräusch- und Geruchskulisse. 1591 führten beispielsweise bei der Hochzeit Anton Fuggers des Jüngeren mit Barbara Montfort maskierte Reiter unter Namen wie Suan Maggaron, Zani della Polenta und Juan della Frittata ein Turnier auf dem Weinmarkt auf. 

Für festliche Ereignisse wurden die Plätze temporär umgestaltet. Ein aus Holz gebautes Miniaturschloss wurde 1591 bei der genannten Fuggerhochzeit auf dem Weinmarkt abgebrannt.  Bei Turnieren wie den 'Ringelrennen' und '-stechen' oder der 'Mummerei zu Ross' bekam der Weinmarkt eine Sanddecke und einer Umzäunung mit Holzplanken. Zum 25. Regierungsjubiläum des Königs Max Joseph von Bayern wurde 1824 ein Ehrentempel vor St. Ulrich und Afra gebaut. Politische Inszenierungen des Stadtraums mit Fahnen, Blumen- oder Lichterschmuck blieben bis ins 20. Jahrhundert hinein üblich, bis sie schließlich in der NS-Zeit pervertiert und dadurch diskreditiert wurden. 

Auch im Alltag gab und gibt es mobile Objekte im Stadtraum, beispielsweise Marktstände und -wägen oder Schirme. Fest installiert waren zunächst nur Straßenpoller zum Schutz der Brunnen oder Hausecken, im 18. Jahrhundert auch zur Markierung der Fußwege. Im darauffolgenden Jahrhundert sammelten sich schließlich immer mehr solcher Objekte auf den Augsburger Plätzen an, Bänke, Kioske, Toiletten- und Wartehäuschen, Litfaßsäulen, Fahnenstangen, Automaten, Telefonzellen, Abfallkörbe, Gaslaternen, Schienen und Oberleitungen oder Kanaldeckel. Gerade Kioske oder Haltestellen entwickelten sich zu beliebten Treffpunkten. Zu den Fahrgeräuschen der Kutschen kamen die der Straßenbahnen und Autos hinzu. Statt vom Stimmengewirr auf den Märkten sind viele der innerstädtischen Plätze heute von der Geräuschkulisse der Außengastronomie geprägt. 

Alle Personen konnten sich ab dem 19. Jahrhundert gesellschaftlich immer freier und mobiler bewegen. Sie mussten nun aber, je nachdem ob sie zu Fuß, mit dem Rad oder dem Auto unterwegs waren, durch Schilder oder Signale wie Ampeln kanalisiert werden. Was bis ins 20. Jahrhundert hinein durch Blickkontakt, Gestik oder Zuruf geregelt werden konnte, benötigte und benötigt immer weitere Medien. Manchmal sieht man den Platz vor lauter Schildern nicht. 

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