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WAS IST EIN PLATZ?

Grundlegend für die heute komplexen urbanen Systeme waren Lauf-, später auch Fahrspuren in der Landschaft, die späteren Straßen, sowie ihre 'Treffpunkte', die Kreuzungen und Gabelungen, aus denen Plätze entstanden. Der Begriff 'Platz' geht auf den lateinischen Terminus 'platea' zurück, mit dem eine breite Straße zwischen Häuserreihen bezeichnet wurde. Während eine Straße vor allem lineares, oft zielgerichtetes Gehen erlaubt, ermöglicht ein Platz wesentlich freiere Laufstrecken und deshalb auch vielfältigere Nutzungen. 

 

Vor allem räumliches Sehen, Sichtfeld und Sichtwinkel bestimmen die Wahrnehmung und somit auch die Gestaltung urbaner Räume. Die Anordnung von Gebäuden oder Objekten, ihre Schatten sowie der Untergrund bilden dabei wichtige Orientierungspunkte. 

Leitbilder 

 

Diese Erfahrungen wurden schließlich in Theorien zum Städtebau festgehalten. Viele Grundgedanken der europäischen Stadt gehen auf den römischen Architekturtheoretiker Vitruv (1. Jahrhundert v. Chr.) zurück. Ihm zufolge zeichnet sich ein Stadtplatz durch eine bestimmte Gestaltung und Nutzung aus:

 

„Seine Länge soll sich zur Breite verhalten wie drei zu zwei. Folgende öffentliche Gebäude sollten am Stadtplatz stehen: Eine Halle für das Gericht, die Börse und den Markt, welche bei ungünstiger Witterung die Funktion des Platzes übernimmt. Außerdem: das Schatzhaus, das Gefängnis, das Rathaus, der Tempel des Stadtpatrones. Ferner Denkmäler von verdienten Mitbürgern.“ 

Zitiert nach Heinz Coubier, Europäische Stadt-Plätze, 1985, S. 23

Aufbauend auf Vitruv entwickelte der Architekt Leon Battista Alberti 1443-52 in seinem Werk 'De re aedificatoria' (Über das Bauwesen) auch eine Theorie der Stadt; diese ist demnach wie ein großes Haus. 

 

Plätze bedürfen nach Alberti einer Steigerung durch öffentliche Bauten. Er forderte eine gewisse Regelmäßigkeit der Anlage sowie einen Übergang von Außen- und Innenraum z.B. mittels Arkaden. Als Schmuck und bildsprachliche Elemente sollten Standbilder aufgestellt werden. 

 

Vor allem solchen auf den Plätzen positionierten Denkmalen wurde bei der Anlage der Sixtinischen Straßen in Rom (1580-95) eine geradezu theatralische Rolle zugewiesen: Antike Fundstücke, dienten als Blickpunkte für ein durch die Stadt gezogenes Achsensystem.

Erfahren Sie mehr über die Sixtinischen Straßen 

Die Weiterentwicklung dieses am Reißbrett entworfenen Gefüges aus Straße, Platz und Monument bestimmte schließlich die Planungen der Barockzeit, beispielsweise in Berlin, und die des 19. Jahrhunderts bis hin zu Georges-Eugène Haussmanns Neugestaltung von Paris ab 1853.

... und hier mehr über Georges-Eugène Haussmann und Paris

Die Autoren der genannten Theorien gingen dabei immer von einem Ideal aus, das in 'Reinform' bei den bis ins 19. Jahrhundert hinein seltenen Neuplanungen auch angewendet werden konnte. Bei der Umgestaltung von bestehenden, oft in langen Prozessen entstandenen Plätzen mussten dagegen meist 'Abstriche' gemacht werden. 

 

Durch das sprunghafte Bevölkerungswachstum der Städte im 19. Jahrhundert wurden nun sehr große Areale überplant. Es galt Erfordernisse der 'Gesundheit' und des nun auch elektrifizierten oder motorisierten 'Verkehrs' zu berücksichtigen. Der Kölner Stadtbaurat Joseph Stübben wollte auch die 'Schönheit' nicht zu kurz kommen lassen.

 

Eine wichtige Rolle kam bei den Stadtplanungen im 19. Jahrhundert dem Umgang mit den alten Grenzen einer Stadt zu, den Stadtmauern, -gräben und -wällen. Johann Andreas Romberg empfahl, Plätze insbesondere anstelle der (abgebrochenen) Tore anzulegen, um einen Übergang der alten in die neuen Quartiere zu erzeugen. Als vorbildlich galt die Ringstraße auf dem ehemaligen Glacis in Wien.

Der Stadtplaner und Architekt Camillo Sitte schlug in seiner 1889 publizierten Studie über den Städtebau dagegen einen ganz anderen Ton an, indem er bestehende, mittelalterliche Plätze analysierte und sogar als vorbildlich für künftige Stadtplanungen einordnete. Diese 'romantische' Sicht ließ auch historische Platzbilder bewahrenswert erscheinen.

Camillo Sitte, wer soll das schon wieder sein?

Im 20. Jahrhundert veränderten neuartige Vorstellungen zur Stadt, etwa im Rahmen der Congrès Internationaux d`Architecture Moderne (CIAM), die Platzgestaltungen. Durch Auflösung von Raumkanten und eine 'autogerechte' Verkehrsführung wurden distinkte Straßen und Plätze nicht mehr angestrebt. Seit den 1960er Jahren findet aber wieder eine gewisse Rückbesinnung auf klassische Stadträume statt. 

 

Auswirkungen der Digitalisierung auf die Stadtplätze sind momentan in gestalterischer Hinsicht noch nicht erkennbar. Sie umfassen vor allem das Erheben und Generieren von Daten wie Weglinien z.B. durch Kameras oder durch Smartphones. Diese Daten werden bereits in Planungsprozessen eingesetzt. Sie dienen daneben als Grundlage für digitale Karten, die wiederum mitbestimmen, wie sich Personen in der Stadt bewegen. 

Was also ist ein Platz?

 

Auf dem Hintergrund der genannten, recht unterschiedlichen Vorstellungen ist ein Platz in gestalterischer Hinsicht ein umbauter Freiraum mit einer Rhythmisierung, z.B.  durch Denkmäler. Er wird – quasi als Negativform des Hauses – von der Topografie, der Platzfläche, der Platzwand und dem Platzraum bestimmt. Er kann regelmäßig oder unregelmäßig angelegt sein, an Achsen, Gabelungen, Kreuzungen oder Kurven liegen oder mit benachbarten Plätzen und Straßen eine Gruppe bilden. Dabei bestimmen unterschiedliche Nutzungen die Form, etwa als Marktplatz, Schlossplatz, Kirchplatz. Solche Funktionen mit den ihnen eigenen Geräuschen und Gerüchen sind mitbestimmend, ob ein Platz als anziehend oder abstoßend empfunden wird. Dies kann je nach Person variieren. 

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